Ohne Denver
Anna sieht sie jeden Tag oder fast. Die Frau geht spazieren. Sie ist eher groß, eher schlank und bis vor ein paar Tagen war sie immer in Begleitung von Denver. Alle im Viertel kennen Denver und kennen die Frau. Denver war ein alter trottender Beagle-Verschnitt und die Frau
nannte ihn ihr Baby. Denver machte so ziemlich nie, was sie wollte und die beiden waren unzertrennlich und immer unterwegs. Einmal hatte Anna mit der Frau gesprochen, sie war traurig gewesen. Jeder, der wie Anna einmal mit ihr gesprochen hatte, sagte auch, ja, die Frau sei traurig. Und dahinter stand immer ein bisschen: Sprich lieber nicht mit ihr über sie. Sprich über Denver, Das ist unverfänglich.
Und alle Kinder im Viertel kannten Denver und sagten hallo und die Frau wusste, wo alle Tiere, Hunde, Katzen, Meerschweinchen im Viertel lebten und wenn eines weinte (sie sagte wirklich weinte), dann klingelte sie manchmal und fragte, ob alles in Ordnung sei.
Nein, die Frau war sicher nicht ganz gesund und ganz sicher ist sie das auch jetzt nicht. Noch weniger gesund. Noch einsamer, als sie schon mit Denver war. Jetzt geht sie alleine, ist ein bisschen dünner, gebeugter, aber sie geht weiter. Jeden Tag. Jetzt ohne Denver. Und keiner spricht sie mehr an. Es ist verfänglich. Ohne Denver.